Radfahren mit Goldrausch-Feeling auf dem Otago Central Rail Trail

Der Fernradweg “Otago Central Rail Trail” ist für Radfahrer ein großartiges Erbe des Goldrausches. Die während der Goldgräberzeit erbaute Eisenbahn-Linie von Cromwell nach Dunedin ist bis Middlemarch seit 1990 stillgelegt und jetzt exklusiv Radfahrern und Wanderern vorbehalten. Ein Genuss-Radeln durch ein spannendes Stück Zeitgeschichte.

Otago – diese Region auf der Südinsel von Neuseeland ist stark vom Goldrausch geprägt, der mit den Goldfunden von 1861 in Lawrence ausbrach. Auch mehr als 150 Jahre später fühlten wir uns noch mitten hinein versetzt. Viele Details am Wegesrand stammten wohl noch aus dieser Zeit.
Ausgangspunkt Oamaru

Oamaru sah in den Prospekten schon sehr interessant aus, sodass wir uns nach dem “Alps 2 Ocean Trail” einen Ruhetag mit Stadtbummel gönnen wollten (#Alps 2 Ocean Cycle Trail). Hier hatte jemand eine große Sammel-Leidenschaft für alte Dinge entwickelt.
- Zentrum von Oamaru
- Endstation in Oamaru
- Fast so steil wie die Straßen von San Francisco
Zyklon im Anmarsch
Die Wettervorhersage der nächsten zwei Tage hörte sich furchterregend an. Ein Zyklon war im Anmarsch auf Neuseeland und breitete sich über das ganze Land aus. Er machte der ungewöhnlichen Hitzewelle der letzten 2 Wochen ein jähes Ende – und er brachte Unmengen von Regen und in den Bergen sogar Schnee.

Wir entschlossen uns kurzerhand, den Aufenthalt in Oamaru zu verlängern, solange dieser Zyklon hier wütet. Über Airbnb fanden wir bei Ross ein gemütliches Zimmer und genossen die schützenden 4 Wände, während es draußen stürmte und aus Eimern schüttete. Da wollten wir nicht mit den Rädern auf der Straße sein. An der Westküste legte dieser Sturm gerade den gesamten Verkehr lahm. Ein Erdrutsch hatte die einzige Fernstraße 6 zugeschüttet und viele Reisende zur Übernachtung auf der Straße gezwungen.
- Herzlich willkommen bei Ross
- Abendbrot ist fertig
- Gemeinsam essen bei Ross
Unsere Variante zum Otago Central Rail Trail

Als nächstes Ziel nach dem “Alps 2 Ocean Cycle Trail” hatten wir uns den “Otago Central Rail Trail” herausgesucht. Leider sind die einzelnen Fernradwege Neuseelands nicht miteinander verbunden. Entweder man beißt sich über die stark befahreren Highways durch oder findet holprige Schotterwege über die Berge oder hat das seltene Glück, auf eine asphaltierte Nebenstraße ausweichen zu können. In diesem Fall hatten wir alle Varianten zur Auswahl und auch genutzt.
Das kurze Vergnügen auf einsamer Küstenstraße

20 km lang konnten wir südlich von Oamaru eine ruhige Landstraße entlang der Küstenlinie genießen. Die ersten sonnigen und windstillen Stunden nach dem Zyklon fühlten sich toll an.
- Weite Strände
- Faszinierende Wolkenformationen
Treffen auf dem Highway 1
Es war leider nicht zu umgehen – wir mussten Bekanntschaft mit dem Highway 1 und dessen starkem Verkehr machen. Auch wenn es sich nur um 20 km von Herbert nach Moreaki handelte, konnten diese einem den ganzen Spaß am Radfahren verderben.

Genau auf diesem Abschnitt beschlossen die beiden Hamburger Steffi und Jorge, ihre 3-wöchige Neuseelandreise zu beginnen und ließen sich hier mit ihren Fahrrädern vom Bus aus Christchurch absetzen. Die ersten Kilometer begleiteten wir sie, bevor sich unsere Wege wieder trennten. In Alexandra kreuzten sich 5 Tage später wieder unsere Wege. Die Welt ist eben ein Dorf.
Trotters Gorge – die Abkürzung durch eine Felsenwelt

Welch ein Glück, es gab einen Abzweig nördlich von Palmerston, der uns vom Highway-Stress erlöste. Eine schmale asphaltierte Straße führte durch ein wunderschönes Klammtal, die “Trotters Gorge” (#Trotters Gorge).
Dies bescherte uns zwar längere Schiebe-Passagen, doch ohne Autoverkehr war es gut zu ertragen. Auf einmal hörten wir wunderschöne Vogelgesänge statt Motorengeräusche. Links und rechts ragten Felsen zwischen den hohen Bäumen hervor. So und nicht anders stellten wir uns die Wege von Neuseeland vor.
- Üppige Vegetation in Trotters Gorge
- Schieben durch die Trotters Gorge

Die letzten 20 km mussten wir jedoch den komfortablen Asphalt verlassen und auf Feldwege übergehen. Unser Weg führte über ziemlich jeden Hügel in dieser Gegend. Die einzelnen Gehöfte hatten den Charme der Goldgräber- und Siedlerzeit behalten.

Als wir endlich den Dorf-Zeltplatz im kleinen Ort Dunback erreichten, waren wir nach mehr als 1.200m Anstieg ziemlich platt. Auch ohne Hochgebirge summieren sich die Höhenmeter. Kein Wunder, dass wir uns am Abend mit Heißhunger auf unsere Lammkoteletts stürzten.
Der harte Kampf über Gold-Minen
Das wurde der härteste Tag, den wir bisher in Neuseeland erlebt hatten!

Dabei fing es sehr erfrischend mit einer Fluss-Querung oberhalb von Dunback an. Stück für Stück trugen wir unsere Habseligkeiten auf die andere Fluss-Seite. Wir wollten unseren Fahrrädern und Packtaschen ein Bad im Fluss ersparen. Das Wasser hatte stellenweise Oberschenkel-Tiefe und eine beachtliche Strömung.

Mit maps.me hatten wir die kurvenreiche Macraes Road herausgesucht, die Dunback mit Hyde – und damit dem Otago Central Rail Trail – verbindet. Das ersparte uns eine Tagestour auf der Fernstraße 85. Im Vorfeld konnten wir schon erkennen, dass diese Querung über zwei größere Bergrücken führt.
Womit wir nicht gerechnet hatten, das war der unerbittliche Gegner “Gegenwind”. In Kombination mit den steilen Anstiegen wurde es höllisch schwer, auf dem Fahrradsattel die Anstiege zu erklimmen.
- Immer schön auf der Linie bleiben!
- Radfahr-Frust
Mindestens die Hälfte des gesamten Tagespensums von 55 km haben wir schiebend und gegen den Wind stemmend verbracht. Ätzend!

Die ersten 20 km bis zur Goldgräber-Stadt Macraes Flat wurden zur Ewigkeit. Leider war Ute’s Stimmung nicht mehr so Entdecker-freudig, als wir tatsächlich nach 4 harten Stunden diesen Ort erreichten.

Dabei ist die Mine nach wie vor intakt und hat sogar die größte Gold-Fördermenge in ganz Neuseeland (#MacraesFlatGoldMine). Hier scheint jeder Kubikmeter Gestein schon zweimal gewendet worden zu sein. Es erinnerte uns stark an Dawson City.

Das einzig Gute, was Ute diesem Ort in dem Moment abgewinnen konnte, war die 8 km horizontale Straße. Es verschaffte den müden Armen und Beinen mal eine kurze Verschnaufpause. Aber der zweite Bergrücken wartete schon auf uns. Die Geschwindigkeitsbegrenzungen am Wegesrand passten überhaupt nicht zu den Straßenverhältnissen.

Nach zwei weiteren Stunden kam endlich die Erlösung – eine lange Abfahrt mit traumhafter Aussicht auf das weite Tal von Zentral-Otago. Unser neuer Höhenrekord von mehr als 1.600m Aufstieg an einem Tag war tatsächlich geschafft.
Auf dem Otago Central Rail Trail

Endlich in Hyde, endlich auf dem Otago Central Rail Trail! Der offizielle Beginn dieses Fernradweges ist eigentlich schon 30 km südlich in Middlemarch.
Auf einmal fuhr das Fahrrad wie von allein, auch ohne Asphalt unter den Rädern. Wir fühlten uns wie auf Wolken schwebend. Der Weg ging plötzlich einfach nur geradeaus und jemand hatte den Wind abgeschaltet.

Sonst hätten wir die letzten 10 km nach Kokonga zum Zeltplatz an der Strecke nicht mehr vor Sonnenuntergang erreicht. Puh, was für eine Schinderei lag hinter uns!
Von Hyde nach Ranfurly

Dieser Streckenabschnitt führt zu Beginn entlang des Taieri Flusses, der ein tiefes Klamm in die Landschaft eingeschnitten hat. Hier gibt es den ersten der 3 Tunnel auf der gesamten Strecke. Von einer Gelände-Steigung ist kaum etwas zu verspüren. Der Untergrund ist verfestigter Kies, sehr wohltuend für die Reifen und den Hintern.
Wir kamen aus dem Fotografieren gar nicht heraus.
- Kleine Dinge entdecken
- Fesselnde Natur am Otago Central Rail Trail
- Kulisse von Central Otago
Vom Pechvogel Ute

In Ranfurly lag nach 3 Tagen der nächste Supermarkt auf unserer Strecke. Mit Vorfreude auf die Schätze, die wir gleich einkaufen wollten, suchte Ute nach ihrer Brille, die noch kurz zuvor um ihren Hals hing. Sie war weg. Durch eigene Dussligkeit! Keine 100m vor dem Laden hatte Ute an einer Kreuzung die Kapuze vom Regencape abgesetzt – schon in Vorbereitung auf den bevorstehenden Einkauf. Dabei fiel die Brille unbemerkt auf die Fahrbahn. Es kam was kommen musste. In der kurzen Zeit zwischen unserer Weiterfahrt zum Laden und der Rückkehr zur Kreuzung war ein Auto genau über die Brille gerauscht und hatte sie platt gemacht. An der teuren Gleitsicht-Brille war nun nichts mehr zu retten. Mist!
- Gutes Angebot in den kleinen Orten
- Die Brille ist matsch!
- Eine neue 2-Dollar-Brille
Zwei Tage später fanden wir in Alexandra in einen “2-Dollar-Laden” eine Ersatz-Brille genau zu diesem Preis. Wenn die kaputt geht, tut es nicht mehr so weh.
Über den höchsten Punkt des Trails

Ab Ranfurly änderte sich leider der komfortable Untergrund. Wir hatten stellenweise das Gefühl, auf den ursprünglichen steinigen Gleisbett der alten Bahn zu radeln. Adé du schöner glatter Kies. Bis Alexandra sollte sich das auch nicht mehr ändern.
Die Landschaft lag nun weit und offen vor uns. Der Radweg wurde zu einer schnurgeraden Trasse.
- Kunst am Otago Central Rail Trail
- Schnurgerader Trail hinter Ranfurly
- Jippi – Schottersteine ab Ranfurly

Trotzdem wurde uns nicht langweilig. Wir konnten auf jedem zweiten Meter anhalten und etwas Interessantes erfahren.
Selbst das Verhalten der Schafe war immer wieder spaßig zu beobachten, wenn wir zwei “gefährlichen” Radfahrer an ihrer Weide vorbei kamen.
- Fototermin mit Sicherheitsabstand
- Die Schafe sind hier Angsthasen
- Überbevölkerung in Neuseeland

Zu unserer Überraschung fanden wir sogar zu essen am Wegesrand. Die Äpfel waren noch etwas sauer, aber wir verdrückten sie trotzdem. Es gab auch keine Spätfolgen davon.

Jetzt spürten wir, dass die Strecke langsam an Höhe gewann. 15 km hinter Ranfurly standen wir bei 618m auf dem höchsten Punkt des gesamten Radweges und lasen die erfreuliche Botschaft auf dem Schild “Von hier geht es nur noch bergab”. Wir brauchten uns die nächsten 50 km fast nur noch rollen zu lassen.
Alles was man braucht
In Oturehua entdeckten wir bei einem kleinen Zwischenstopp einen urigen Gemischtwaren-Laden. Hier gab es wirklich alles, was man zum Überleben braucht. Und wir brauchten gerade ein großes Magnum-Eis.
Der Ladenbesitzer erklärte uns, dass in diesem Dorf genau 39 Leute wohnen. Wahrscheinlich kannte er all ihre Namen.

Für die nächste Nacht kamen noch zwei weitere Bewohner dazu, nämlich die beiden Radfahrer Linsey und Murray. Wir hatten beide schon mehrfach auf der Strecke getroffen und uns gegenseitig überholt. Nun war für sie heute hier Schluss. Ihr Gepäck, dass ihnen immer von Übernachtung zu Übernachtung transportiert wurde, fanden sie übrigens auf der anderen Straßenseite vor einem verschlossenen und verlassenen Hotel herrenlos stehen. Aber in diesem 39-Seelen-Dorf kommt nichts weg, versicherte der Ladenbesitzer.
Über die Poolburn Gorge

Das Klammtal “Poolburn Gorge” mit 2 Tunneln und einer langen Brücke ist ein landschaftlicher Höhepunkt auf der Strecke. Wir konnten uns gut vorstellen, welche anstrengende Schinderei der Bau der Trasse durch diese Felsenlandschaft war. Die einzelnen Bahnstationen unterwegs zeigten uns lebendige Bilder aus dieser Zeit. Da haben wir es heute doch viel einfacher, hier voran zu kommen.
Nächster Halt “Lauder Station”

Ein kleines, ehemaliges Wartehäuschen in Lauder lud uns regelrecht dazu ein, hier drinnen unser Zelt aufzustellen.

Wir hatten unterwegs lange genug gebummelt und waren für heute die letzten Radler auf diesem Streckenabschnitt.
Unsere letzte Etappe nach Alexandra

Je dichter wir Alexandra kamen, desto felsiger und abwechslungsreicher wurde die Umgebung wieder.

Am letzten Eisenbahn-Halt vor der Stadt, der “Galloway-Station” verdrückten wir unsere letzten Stullen.

Witzig war, dass dieses Wartehäuschen nur für Ladies vorbehalten war. Wo warteten denn dann die Männer?
Unser Fazit

Es war eine wunderbare Idee, diese stillgelegte Eisenbahn-Trasse als Fahrradweg weiter zu nutzen. Ausleihstationen für Fahrräder mit und ohne Akkus gibt es mittlerweile in mehreren Orten entlang der Strecke. So eignen sich die einzelnen Abschnitte auch für Tagestouren und für jedes Alter.
Wir waren froh, mit 115 km fast die gesamte Strecke auf dem insgesamt 150 km langen Otago Central Rail Trail kennengelernt zu haben (#OtagoCentralRailTrail). Eine großartige Szenerie!
Wiedersehen mit Oscar

Oscar, unsere Fahrrad-Bekanntschaft von unserer Südostasien-Radtour aus dem Vorjahr, war ebenfalls ein Grund für das Reiseziel Alexandra gewesen (#Fahrradtour durch Südostasien). Während wir zwischendurch 9 Monate zuhause oder in Europa verbrachten, war er damals nach Neuseeland weiter gereist und ist seitdem hier.
- Unser abendlicher Treffpunkt mit Oscar
- Nächtliche Kulisse von Alexandra mit Sternschnuppe
Auf einer ruhigen Parkbank gegenüber einer Bergkette hatten wir uns bis spät in die Nacht viel zu erzählen.
Überraschend für uns allerdings war, dass er nach mehr als 15.000 km von Deutschland nach Thailand das Radfahren hier in Neuseeland aufgegeben hat. Zu groß war sein Frust über das rücksichtslose Fahrverhalten der Autofahrer auf den Straßen. Wandern sei viel schöner in Neuseeland als Radfahren, meint Oscar.

Wir fahren trotzdem weiter auf dem Drahtesel durch Neuseeland…
6 Gedanken zu “Goldrausch-Feeling auf dem Otago Central Rail Trail”
Hallo Utchen , hello Eddy, wir hatten mit Euch eine wunderschöne Weiterfahrt ! Deshalb sind wir jetzt müde,
Gute Nacht! Eure Heinersdorfer in weiter Ferne
Kein Problem. Müdigkeit ist unser ganz normaler abendlicher Zustand nach vollbrachter Fahrradstrecke. Wenn ihr euch beim Lesen so fühlt, als wärt ihr dabei, dann dürft ihr am Ende des Artikels auch ruhig geschafft sein.
Hallo, Ute & Eddie! Immer wieder schön, euere interessanten Berichte zu lesen, gespickt mit tollen Fotos. Wir wünschen euch weiterhin schönes Wetter (es herbstet ja bald in NZ), Rückenwind, und keine steilen Anstiege. Rolf & Mecki
Na, euren guten Wünsche gehen ja fast in Erfüllung. Die letzten 3 Tage konnten wir super zufrieden sein mit dem Wetter. Nun haben wir gerade einen kleinen Unterstand für uns und unser Zelt, der uns mindestens die Hälfte von Wind und Regen abhält. 1m x 1m verteidigen wir eisern gegen die Naturgewalten, hocken noch recht trocken und planen gerade unsere Route über den Haast Pass entlang der Westküste nach Picton. Eine gute Entscheidung, so einen Tag auszuharren. Die Szenerie am Wakatipu See mit Blick auf Queenstown ist jedenfalls wirklich irre. Und morgen soll der Unwetter-Spuk wieder vorbei sein und wir können uns wieder auf die Räder schwingen. Mir euren guten Wünschen klappt das auch bestimmt. Wenn die Windrichtung so bleibt, hätten wir dann tatsächlich auch mal Rückenwind. Wie geil.
Bleibt gespannt, ob es auch so passiert.
Liebe Grüße vom tollen freien Zeltplatz in Walter Peak.
Schöne Bilder! Habt Ihr denn auch mal im Fluss ein bisschen nach Gold geschürft? Oder ist das Resultat geheim? 😉
Unsere Packtaschen sind schon so voll, dass wir kein Gramm Gold mehr hinein bekommen. Deshalb haben wir alle Goldnuggets am Wegesrand liegen lassen müssen. 😉