Entdeckungen in Kambodscha zwischen Ban Laem, Battambang und Siem Reap
Unsere Fahrradtour durch Südostasien führte rund 1000 km durch Kambodscha. Worin unterscheiden sich Land und Leute in Kambodscha von seinen Nachbar-Ländern? Gibt es überhaupt neue Dinge zu entdecken? Diese Frage stellten wir uns, als wir einen Tag vor Silvester die Grenze von Thailand nach Kambodscha überschritten. ([prisna-wp-translate-dont-translate]#BanLaem[/prisna-wp-translate-dont-translate])
Heute sind wir schlauer und beantworten diese Frage mit “Ja”. Ja, in Kambodscha haben wir eine Menge interessanter Dinge entdeckt, die für uns in Südostasien neu waren.
Entdeckungen in Kambodscha – nicht nur im Westen
Einen Gang runterschalten
In Kambodscha geht alles einen Gang ruhiger zu als bei den Nachbarn in Thailand und den Ländern weiter südlich.
Auf den ersten Kilometern entdeckten wir gleich die ziemlich leeren Landstraßen. Zum Radfahren war das prima. Sonderbare Fahrzeuge und vor allem viele einheimische Radfahrer auf alten, klapprigen Fahrrädern gaben uns das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist. Kein Wunder bei der schrecklichen Vergangenheit unter der Herrschaft der Roten Khmer, die aus diesem aufstrebenden Land einen rückschrittlichen Agrarstaat machen wollten. Diese Zeit liegt gerade mal 40 Jahre zurück.
Kambodschaner sind eher zurückhaltend als aufdringlich, beinahe scheu. Das verschaffte uns eine entspannte Distanz bei der Fahrradtour durch die Dörfer. Nun konnten wir es selbst steuern, wann und wo wir mit den Bewohnern in Kontakt kommen wollten. In dem Moment, wo wir die Leute angesprochen hatten, legten sie ihre Zurückhaltung ab. Und sie hatten ein so charmantes und ehrliches Lächeln.
Mit 2 Währungen rechnen
Der alltägliche Umgang mit zwei Währungen gleichzeitig klappt verblüffend einfach in Kambodscha. Die einheimische Währung Riel und der US-Dollar werden völlig gleichberechtigt zur Bezahlung akzeptiert. 1 Dollar entspricht 4.000 Riel. Womit man bezahlt, spielt keine Rolle. Als Wechselgeld kriegt man ebenfalls einen bunten Mix aus beiden Währungen zurück. Das trainiert das Kopfrechnen unheimlich gut beim Bezahlen. Münzen gibt es übrigens nicht. Alle Geldbeträge unter einem Dollar werden immer in Riel beglichen. Außerhalb der touristischen Hochburgen ist es wichtig genügend Riel zu haben, um die kleinen Beträge bezahlen zu können. Manchem fällt es schwer einen Dollar zu wechseln.
An den Geldautomaten kommt das Papiergeld in Dollar aus dem Schlitz heraus. Bei ihrem Lohn können die Kambodschaner wählen, in welcher Währung dieser ausgezahlt werden soll.
Auf den zahmen Hund treffen
Schlagartig hinter dem Grenzzaun nach Kambodscha änderte sich das Gebaren der unzähligen herrenlosen Hunde. Sie bellten nicht, kamen nicht wie eine Rakete auf uns zu gerast und versuchten auch nicht, sich in unseren Waden oder Fahrradreifen festzubeißen. Was machen denn die Kambodschaner anders als die Thailänder mit diesen vielen frei laufenden Tieren? Wir wissen es nicht, waren jedoch sehr froh über diese Wendung. In Thailand hatten wir uns eine Triller-Pfeife als wirkungsvollen Schutz gegen die vielen Hunde-Attacken zugelegt. Eddy konnte die Pfeife in Kambodscha getrost stecken lassen.
Staub schlucken
In Kambodscha fühlten wir uns teilweise wie im Outback von Australien. Ein Großteil der Straßen im Land sind nämlich nicht asphaltiert. Die Beschreibung „Wellblech-Piste“- trifft es oft besser als die Bezeichnung „Straße“. Wir wurden beim Radfahren ziemlich durchgerüttelt und bei Gegenverkehr in eine dicke Staubwolke eingenebelt. Am Ende eines Radfahr-Tages sahen wir und unsere Sachen fürchterlich dreckig aus. Taschen- und Fahrrad-Putzen war hier regelmäßig angesagt. Unsere Lungen entstaubten wir erfolgreich mit Bier.
Bier vom Fass genießen
50 Cent pro frisch gezapftem Glas hatte etwas Paradiesisches. Das Bier war sehr süffig und der Preis sehr schonend für unser Reisebudget.
Auf knuspriges Brot beißen
Man, was haben wir frisches, knuspriges Brot vermisst seit dem Beginn unserer Südostasien-Tour vor 9 Monaten. Und genau das recht arme Land Kambodscha hat dieses frische Brot reichlich zu bieten. Kaum waren die Baguettes bezahlt, bissen wir schon mit Heißhunger hinein.
Baguettes sind mit den französischen Kolonialherren ins Land gekommen und nach der Unabhängigkeit zum Glück nicht wieder verschwunden.
Heute sind die langen Weißbrot-Stangen bei den thailändischen Nachbarn ebenfalls sehr begehrt und scheinbar ein lukratives Geschäft im kleinen Grenzverkehr.
Früher aufstehen
Gleich am ersten Abend fiel uns das verschobene öffentliche Leben auf. Um 20Uhr war selbst die zweitgrößte Stadt des Landes – Batttambang – schon wie ausgestorben (#Battambang). In der Innenstadt hatten nur noch wenige Restaurants mit ausländischem Publikum geöffnet. Die typischen Garküchen waren schon alle geschlossen; selbst in den Wohnhäusern brannte kaum noch Licht. Zuerst vermuteten wir, dass in Kambodscha eine Sperrstunde gilt. Doch dann erzählte uns ein Einheimischer, dass die Leute sehr früh aufstehen und deshalb spätestens um 22Uhr im Bett liegen.
Selbst in der Silvester-Nacht konnten wir dieses Verhalten beobachten. Um Mitternacht waren die Straßen-Parties am Ufer des Sangker River in vollstem Gange. Man konnte wegen der vielen Menschen kaum treten. Doch keine Viertelstunde später verabschiedeten sich die Sänger auf den Musikbühnen, wurden die Stände geschlossen und die Menschenmenge löste sich blitzschnell auf. Der Fußmarsch zu unserem etwa 2 km entfernten Hotel führte wieder durch leere Straßenzüge. Da war das neue Jahr gerade mal eine Stunde alt.
Besondere Entdeckungen zwischen Battambang und Siem Reap
Solch ein Zirkus!
In Battambang gibt es ein gemeinnütziges Projekt zur Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher, den Zirkus “Phare-Ponleu-Selpak” (#PharePonleuSelpak). Neben dem normalen Schulunterricht bekommen hier junge Leute auch eine Ausbildung auf künstlerischen Gebieten oder eine Ausbildung zum Artisten – und damit eine Perspektive. Radfahr-Freunde hatten uns diesen Zirkus schon wärmstens empfohlen.
Ehrlich gesagt waren unsere Erwartungen nicht sehr hoch. Um so verzauberter und überwältigter waren wir nach der Vorstellung.
Begleitet von rhythmischer Musik waren die Darbietungen in einer rührenden Geschichte verpackt. Es ging um einen sehr kranken Familienvater, der am Ende geheilt wurde. Seine Kinder bauten ein großes Haus, in dem die gesamte Familie glücklich und zufrieden leben und tanzen konnte. Das machte den Papa wieder gesund.
Bei so viel Balance, Dynamik und Eleganz blieb uns mehrmals der Atem weg. Wunderbar! Die ganze Show hatte den Stil vom „Cirque de Soleil“.
Am Ende gab es einen langen Applaus von den etwa hundert Zuschauern. Die Show war fast völlig ausverkauft. Das sorgte zusätzlich für eine schöne Stimmung. Die Vorstellungen und Darsteller wechseln von Tag zu Tag, sodass es sich lohnt wiederzukommen. Und die 14$ ( 12,40€) Eintritt pro Person sind für einen guten Zweck.
In der Welt der schwimmenden Dörfer
Ein unvergessliches Erlebnis ist die Fahrt zwischen Battambang und Siem Reap auf dem Sangkae Fluss. Diese ca. 9-stündige Reise mit einem Linienboot wird im „Lonely Planet“ als die schönste Boots-Tour in Kambodscha angepriesen. Neben der interessanten Fluss-Landschaft erlebt man hautnah das einfache und karge Leben der Menschen in den schwimmenden Dörfern. Für uns wurde diese Flussfahrt zusätzlich interessant, da sie uns eine zweitägige Strecke über die befahrenen Fernverkehrsstraßen 5 und 6 ersparte.
Die Mitnahme unserer Fahrräder war kein Problem. Diese wurden einfach auf das Dach des Bootes verfrachtet. Selbst ein schweres Motorrad kam auf diese Weise an Bord.
Die Bootsreise im Zeitraffer
Hier könnt ihr 9 Stunden Bootsreise in nur 93 Sekunden miterleben.
https://youtu.be/WL0x0jui4gw&w=480&rel=0
Abfahrtszeiten und Kosten
Von Battambang legt die Fähre täglich gegen 7:00 Uhr ab, solange der Wasserstand im Fluss hoch genug ist. In der unteren, schattigen Etage der Fähre gibt es 44 Sitzplätze. Die restlichen Reisenden werden dann auf das Dach geschickt. Die Fahrt kostet für Touristen 20$ (17,75€) und pro Fahrrad 5$ (4,45€) . In Siem Reap startet die Fähre etwas später, gegen 9:00 Uhr. So treffen sich die Boote in dem breiteren Flussabschnitt.
Bei der Abfahrt beobachtet
An der Fähranlegestelle hatte ein junger Mann ausgiebig seine Morgentoilette im Fluss betrieben. Zuerst wurden die Zähne geputzt und mit dem Fluss-Wasser gespült. Dann wurden die Haare gewaschen und das Shampoo-Tütchen dem Flusslauf überlassen. Zum Schluss erfolgte eine intensive Einseifung des ganzen Körpers. Sicherlich findet diese Körperpflege im Fluss jeden Tag von vielen Anwohnern statt. Was sollen die Leute hier auch anders machen. Viele von ihnen leben in sehr ärmlichen Hütten und ihr einziger Wasseranschluss ist die selbst verlegte Rohrleitung vom Fluss.
Auf den ersten Kilometern entlang der dicht besiedelten Uferböschungen waren wir Beobachter und Beobachtete zugleich.
Hinter der Stadtgrenze
Als die Umgebung ländlicher wurde, begann der Flusslauf sich in ganz vielen Kurven zu winden. Der Kapitän hupte nun vor jeder nicht einsehbaren Kurve, um den Gegenverkehr zu warnen. Der Fluss war gerade so breit, dass nur zwei Boote nebeneinander Platz hatten. An einigen Windungen musste ein Besatzungsmitglied mit einem Stechpaddel mithelfen, um überhaupt die Kurve zu kriegen. Zweimal rauschte dennoch das Boot in die Uferböschung hinein. Wir haben uns die interessanten Lenkmanöver vom Dach aus angeschaut. Von dort oben hatten wir einen wunderschönen Blick über den Fluss-Verlauf und die Felder rings herum.
Die Hütten der Fischer und Bauern am Rand wurden immer ärmlicher, je weiter wir die Stadt Battambang hinter uns ließen. Trotzdem begrüßten vor allem die Kinder vom Ufer aus freudig die vorbeifahrende Fähre.
Auf dem Wasser tauchten nun imposante Holz-Konstruktionen für die Fischernetze auf.
Halbzeitpause im schwimmenden Dorf
Gegen 11:30 Uhr legten wir in dem großen schwimmenden Dorf Phum Bak Prea an (#PhumBakPrea). Wir Passagiere wurden an einem Steg “ausgeladen” und konnten Nahrung aufnehmen sowie die Toilette besuchen. Während ich gerade in diesen klitzekleinen Verschlag war , rettete Eddy eine Reisende vor dem Plumps ins Wasser. So bleibt diese Heldentat leider undokumentiert. Für die Betreiber dieses Ladens sind die Fähr-Gäste sicher die Haupteinnahmequelle.
Im Reich der Wasserstraßen
Bis Phum Bak Prea hätten wir auch noch parallel zum Fluss auf einem Uferweg radeln können. Doch ab dort gibt es keine Landverbindung mehr nach Osten Richtung Tonle Sap See (#TonleSap). Der Fluss Sangkae und die vielen Seitenarme sind nun die einzigen Verkehrsverbindungen. Wie auf einer normalen Straße die Autos wuselten nun die typischen Longtail-Boote von links nach rechts und umgekehrt über das Wasser. Sogar Kinder saßen am Ruder.
Der schwimmende Lieferservice
Als weitere schwimmende Ortschaften auftauchten, wurde die Funktion unserer Fähre als Lieferservice deutlich. Aus allen möglichen Ecken des Schiffes wurden Kisten und Tüten geholt. Der Kapitän hupte immer, um den Anwohnern das Eintreffen bekannt zu geben. Wer eine Lieferung erwartete, tauchte mit seinem Boot längs zur Fähre auf und übernahm fix die Ladung. Faszinierend, wie jeder so schnell wusste, welcher Karton der richtige war. Einheimische Passagiere wurden in dem gleichen Verfahren be- und entladen, so auch ein alter Mönch, der bei dem wackeligen Umsteigen auf den kleinen Kahn viele helfende Hände brauchte.
Kurzer Einblick vom Leben auf dem Fluss
Wir hatten einen herrlichen Beobachtungsposten auf dem Dach des Bootes. Von dort oben konnten wir bis in die „guten Stuben“ der schwimmenden Hütten hineinschauen.
Fernsehen war hier offensichtlich gut verbreitet. Auch die Solar-Energie und der Mobilfunk hatten in dieser Wasser-Welt bereits Einzug gehalten. Auf Radfahren und Fußballspielen müssen die Kinder hier allerdings verzichten und es gegen ausgiebiges Toben im Wasser oder Abhängen in der Hängematte eintauschen.
Auch die schönste Reise hat ein Ende
Die letzte Etappe führte über den See Tonle Sap. Hier konnte das Boot mal richtig Tempo aufnehmen. Bei der einstündigen Überfahrt über den gigantisch-großen See streiften wir nur den nördlichen Zipfel und erreichten gegen 16 Uhr Siem Reap (#SiemReap). Genau genommen ist die Stadt noch 10km entfernt. An der Anlegestelle warteten bereits diverse Busse und Taxis, um die ankommenden Reisenden in Empfang zu nehmen und in die Hotels zu bringen.
Wir waren jedoch froh, ganz allmählich und ohne Hektik mit dem Fahrrad in das „Reich der alten Khmer“ einzutauchen. Der ruhige Weg über die Felder und Wiesen war dafür bestens geeignet. Unsere Vorfreude auf das größte Tempel-Gebiet der Welt wuchs mit jedem Kilometer.
Gute Aussichten?
Die Gegend zwischen dem Fluss und Siem Reap ist im Moment noch sehr ländlich und ruhig. Das wird sich wohl in naher Zukunft ändern. Wir haben einige große Bauprojekte gesehen, Fundamente für ziemlich riesige Häuser. Offensichtlich hat man hier noch etwas Großes vor. Oje! Zum Glück waren wir jetzt schon da.
Unsere Unterkünfte im Nordwesten von Kambodscha
Battambang
ASIA Hotel (#AsiaHotel in Google Maps)
Doppelzimmer mit Ventilator, Kühlschrank, WC und Dusche
10$ (8,90€) pro Nacht
Siem Reap
The Season Square Villa (#SeasonSquareVilla in Google Maps)
Doppelzimmer mit Ventilator, WC und Dusche
9$ (8€) pro Nacht
Ausblick
Weiter geht es nach Siem Reap mit seinen unzähligen Tempelanlagen um Angkor Wat in unserem Blog “Versunkene Welten von Angkor mit dem Fahrrad entdeckt“.
3 Gedanken zu “Entdeckungen im Westen von Kambodscha”
Wie schön, dass ihr hier im Blog noch immer auf Reisen seid :). Sehr interessant, wie ihr die kleinen und großen Unterschiede der einzelnen Ländern in Südostasien wahrgenommen habt.
Bisher habe ich ja nur einen Eindruck von Thailand.
Auf meiner Radtour nach St. Petersburg letztes Jahr ging es mir aber sehr ähnlich. Vorher nur “das Baltikum” und beim bereisen habe ich die individuellen Charaktere der Länder erkannt.
Schade, dass es kein Foto von Eddys Rettungsaktion gibt. Die besten Momente landen eben nur im Gedächtnis und nicht in der Kamera 😉 .
Wir müssen uns jetzt wirklich beeilen aus Südostasien zurückzukommen, da die nächsten Reise (nach Neuseeland) schon fest geplant ist. Vorher wollen wir aber gern noch den Rest von unserer Tour durch Kambodscha und dann vor allem von Vietnam berichten. Es war dort so schön und es wäre schade, wenn das Alles in Vergessenheit gerät.