Mittendrin im einfachen Leben von Karnataka
Wir sind im Herzen von Karnataka und das ist nicht nur geografisch gemeint (#Karnataka). Wir bekommen ebenfalls eine große Welle an echter Sympathie von den Leuten hier zu spüren. Die Menschen in Karnataka lachen sehr viel, und dabei geht uns richtig das Herz auf.
Es ist unsere erste Reise nach Indien, die aufgrund einer Einladung zu einer deutsch-indischen Hochzeitsfeier in Bangalore, im Bundesstaat Karnataka beginnt. Wir saugen die vielen neuen Eindrücke auf wie ein fetter Schwamm.
Das ist unsere genaue Route durch den Bundesstaat Karnataka.
Bewegende Momente hautnah
Mit dem Fahrrad geht unsere Reise wenn möglich nur durch kleine Dörfer – und wir sind hübsch langsam dabei. Das sind wie immer gute Voraussetzungen, mit den Menschen vor Ort schnell in Kontakt zu kommen.
Die Erlebnisse und Eindrücke unserer ersten 500 km haben wir bereits in diesem Video festgehalten
Vom Dorf-Lehrer Rama und seinen Schülern
Es begann wie so oft mit einem kleinen Schwatz zwischen Radfahrer und Mopedfahrer auf einer Landstraße. Rama, ein junger Grundschul-Lehrer lud uns ein, mit ihm in seine Dorfschule zu kommen. Es wurde ein Besuch voller Emotionen.
Dabei lernten wir ebenfalls die Direktorin und das Lehrerkollegium kennen. Ein indisches Lehrerzimmer sieht einem deutschen doch recht ähnlich.
Dann wurden wir in jedes Klassenzimmer der 1-6-Klässler mitgenommen. Diese Räume unterschieden sich allerdings deutlich von einem deutschen Klassenzimmer. Keine Stühle, keine Tische. Die Kinder saßen auf dem Boden, die Bücher vor sich ausgebreitet. Ihre Lernfreude und Begeisterung schien dadurch nicht eingeschränkt.
In einigen Klassenzimmern hatten die Lehrer die Decke mit Buchstaben- und Zahlenschildern dekoriert, um den “ABC-Schützen” Schreiben und Rechnen spielerischer vermitteln zu können. So etwas kannten wir auch aus der Grundschule unserer Kinder.
Ein Meer voller Kinderhände zum Abschied, dieses Bild werden wir hoffentlich lange in Erinnerung behalten.
Von der Begeisterung an Traditionen
In einem kleinen Ort nahe Gadag wurde eines der vielen hinduistischen Feste begangen. Wir gerieten genau in ihren Umzug hinein und wurde kurzerhand mitgenommen zu ihrem Tempel.
Dekoriert mit weißem Puder auf der Stirn durften wir ebenfalls die Statue von Nandi bewundern und den inbrünstigen Gesängen der Männer lauschen.
Während in deutschen Kirchen die Mienen der Gläubigen oft gedrückt und traurig wirken, lachten hier die Leute über das ganze Gesicht. Wir merkten ihnen richtig an, dass sie viel Spaß an ihren Traditionen haben.
Vom Stolz der einfachen Leute
Schon wieder entstand der Kontakt beim Radeln auf einer kleinen Landstraße. Wir sollten unbedingt zu einer Tasse Kaffee in seinem Hause halt machen, bat uns der Mann auf dem Sozius des Mopeds. V – das ist wirklich sein Name – war College-Direktor in der nahe gelegenen großen Stadt Gadag und ein sehr geachteter Mann in seinem Dorf. Bei unserer Ankunft kamen gleich eine Reihe von Nachbarn zusammen, die ebenfalls unserem Gespräch lauschen wollten.
Zum Glück war unter ihnen ein Nachbar (1.v.l.), der perfekt englisch sprach und uns bei der Kommunikation half. “Was ist anders in Indien gegenüber Deutschland?”, wollte V wissen. “Die Leute lachen hier viel öfter.”, war unter anderem unsere Antwort. “Zuhause in Deutschland geht jeder doch ziemlich abgeschottet seiner Arbeit und seinen Problemen nach. Hier in Indien erleben wir viel Gemeinschaftsleben vor der Haustür”. “Das stimmt.”, meinte auch der Nachbar. “Die einfachen Leute hier freuen sich über ihr Leben, auch wenn dies sehr beschwerlich ist.” Diese Freude haben wir auch in den Mienen der anderen Nachbarn gesehen, die uns jede Minute mit ihren Augen verfolgten. Ein älterer Herr hätte uns am liebsten bei der Weiterreise begleitet. Ausgestattet mit einer großen Tüte frisch geernteter Erdnüsse und der Bitte, wieder vorbei zu kommen, wurden wir dann verabschiedet.
Die Freuden des Selbstversorger-Alltags
Nichts zu handeln
Feilschen wie auf dem Basar ist hier doch nicht überall angesagt, wie wir es erwartet hatten. Und das ist sehr entspannend für uns Mitteleuropäer. Auf vielen Produkten, die man so am “Tante-Emma-Laden” an der Straße bekommt, ist ein Preis aufgedruckt, und der wird auch nur verlangt. Auch Bäcker haben landesweit scheinbar die gleichen Preise. Ein Kuchenbrötchen kostet immer 5 Rupien, 500g Kekse 100 Rupien. Lediglich bei den mobilen Obsthändlern muss man verhandeln – oder geht einfach zum nächsten Stand, wenn man sich abgezockt fühlt.
Ein Lichtblick gegen Plastemüll
In Karnataka gibt es öffentliche Trinkwasser-Filteranlagen. Dort kann man für ganz kleines Geld viel gutes Trinkwasser nachfüllen. Als Radfahrer brauchen wir täglich schon unsere 3x 2-Liter-Wasserflaschen. Unsere landen zum Glück am Abend nicht auf dem Müll. Die Trinkwasser-Filteranlagen gibt es hauptsächlich in den kleinen Orten auf dem Lande. In großen Städten muss man schon gezielt danach fragen.
Die Preise variieren minimal. Zwischen einer und 5 Rupien kosten 20 Liter Trinkwasser, wobei uns beim Abfüllen aus dem dicken Rohr in die 2-Liter-Flaschen oft so viel daneben geht, dass es genau für unsere 5 Flaschen passt.
Blöd ist nur, wenn der Strom ausfällt, denn dann gibt es auch kein Wasser. Und der Strom fällt hier häufig mal aus. Selten allerdings einen ganzen Tag.
Das geordnete Verkehrs-Chaos
In Deutschland undenkbar, in Indien Alltag – das Chaos auf den Straßen. Jeder fährt auf beiden Fahrbahnseiten in beide Richtungen, jeder quert die Fahrbahn, wo es für ihn am günstigsten ist. Trotzdem haben wir bisher keinen Unfall gesehen, denn §1 der Deutschen STVO mit der “…gegenseitigen Rücksicht” ist in Indien gelebte Wirklichkeit. Keiner besteht absolut auf seine Vorfahrt, es wird wenig gerast.
Hilfeich dafür sind die zahlreichen Bodenwellen mit dem bezeichnenden Namen “Speed breaker”. In Ortschaften und in der Nähe von Kreuzungen gibt es sie alle paar Meter.
Auch die großen Laster bremsen für Fußgänger, Tiere und uns Radfahrer oder machen einen großen Bogen. Hier im oft dichten Verkehr von Karnataka fühlen wir uns weit sicherer als auf den Straßen vom dünn besiedelten Neuseeland. Das ist schon eigenartig.
Tägliche Herausforderungen
“Selfie, Selfie Mister!”
Die vielen Fototermine mit Leuten auf der Straße kommen uns schon aus unserer langen Fahrradreise durch Südostasien sehr bekannt vor. Neu ist hier allerdings, dass auf jeden Fall der Handy-Besitzer in eindrucksvoller Pose auf dem Bild sein muss. Manchmal ruft uns jemand “Selfie Selfie” zu und merkt erst danach, dass er gar kein Handy zum fotografieren hat.
Einige Male wurde es jedoch sehr extrem und wir sollten alle paar Meter für jemanden anhalten. Da haben wir uns auch mal stur gestellt. Schließlich müssen wir abends am Ziel ankommen.
Hotel ist nicht Hotel
Auf der Suche für unser tägliches Nachtquartier haben wir schnell ein Missverständnis erkannt. Die Bezeichnung “Hotel” bedeutet meist nicht, dass es dort Zimmer zu vermieten gibt. Fast jedes Restaurant nennt sich Hotel. Schlafen kann man dort allerdings nicht.
So gestaltet sich die Suche nach einer Unterkunft komplizierter als wir vermutet hatten. Wirkliche Hotels konnten wir bisher nur in größeren Städten finden, und das ist auch nicht immer gesichert. Wir müssen im voraus recht intensiv bei Google Maps, maps.me oder Booking.com recherchieren, denn viele Alternativen in Radfahrer-Distanz gibt es in einigen Regionen nicht. Leider müssen wir nun unsere Tagesroute so planen, dass wir abends immer eine größere Stadt erreichen. Das schränkt doch ziemlich ein und verkürzt die ruhigen Hinterland-Strecken.
Übrigens, Schlafgelegenheiten findet man hier in Karnataka eher unter den Bezeichnungen: Lodge, Residence oder Guesthouse.
Fleischlos aber feurig
All unsere Sinne laufen seit unserer Ankunft auf Hochtouren, unsere Ernährungsumstellung ebenfalls. Wir werden nach und nach noch Fans von vegetarischer Kost. Jedem von uns ging es für 2 Tage schlecht. Doch wir hoffen, das verhält sich wie mit der Seekrankheit – einmal durchgestanden und nun abgehakt.
Verzaubert vom Orient
Mysore Palast – Märchen aus 1001 Nacht
In Indien gibt es ihn wirklich, den Zauber der Märchen aus 1001 Nacht. Hier in dem Maharadscha-Palast von Mysore könnte Scherehazade gut und gerne ihre nächtlichen Geschichten erzählt haben (#Scherehazade).
Melkote – Im Zauber des Feuerscheins
In der kleinen Stadt Melkote, die gefühlt mehr Tempel als Wohnhäuser hat, gerieten wir durch Zufall in eine Diwali-Zeremonie zum hinduistischen Neujahr. Wir wissen nicht, was die einzelnen Rituale bedeuteten. Trotzdem strahlten sie für uns eine große Magie aus.
In diesem Moment haben wir uns gefragt, ob so Aladin’s Wunderlampe aussah.
Hampi – Zeitreise zu versunkenen Königreichen
Bei einem Besuch in Karnataka darf man seine Hauptattraktion nicht verpassen, und zwar die historischen Tempel und Ruinen von Hampi (#Hampi). Das riet uns schon der Reiseführer. Also führte unsere Radroute genau dort vorbei. Dort kamen wir im Zentrum des ca. 30 Quadratkilomter großen Gebietes im Dorf Hampi Bazar unter #HampiBazar). Der Sri Virupaksha Tempel war vom Dach unseres Quartiers zum Greifen nah. Greifen wollte dabei auch eine Horde Affen – und zwar nach unseren Sachen, die wir mit auf dem Dach hatten. Sie wohnt zwischen den großen Felsen direkt neben unserer Unterkunft.
Mit einem Fahrrad ist die Erkundung der verstreut liegenden Ruinen und Tempel von Hampi ideal, auch wenn man auf den Schleichwegen stellenweise das Rad über Steine und Treppen schieben muss. Dafür kann man das Ziel seiner Erkundungen selbst festlegen und ist nicht von Tuk-Tuk-Fahrern oder anderen Führern abhängig. Wir fühlten uns irgendwie zurückversetzt nach Angkor in Kambodscha.
Wer Lust auf eine solche Fahrradtour hat – in Hampi Bazar werden zahlreiche Fahrräder zum Verleih angeboten.
Das große Highlight von Hampi ist die gut erhaltene Anlage des Vittala Tempels. Während ein großer Ansturm von Besuchern auf diesen Tempel zuströmte, verzogen wir uns einfach in den daneben liegenden kleineren Tempel, der ebenfalls wunderschön verzierte Steinsäulen aufwies. Und – diesen hatten wir ganz für uns allein.
Auf unserer Tour konnten wir sogar noch völlig unbekannte Wandmalereien entdecken. 😉
Für jeden, der auf der Suche nach Stätten alter Reiche ist – oder einfach wunderschöne exotische Fotomotive liebt – dem sagen wir: “Schaut selbst mal in Hampi vorbei!”.
Von der heiligen Kuh
Kühe in Indien sind heilig – so haben wir es zumindest in der Schule gelernt. Stimmt, offensichtlich dürfen Kühe hier alles tun und lassen was sie wollen. Zu beneiden sind sie dennoch nicht. Viele Tiere sind sich völlig allein überlassen. Es ist schon beklemmend, wenn sie irgendwo am Straßenrand im Müll nach Fressbarem stöbern und dabei Plaste-Tüten, Pappbecher und ähnliches hinunterkauen.
Wir konnten aber auch eine witzige Szene beobachten, wo eine Kuh ihren Kopf in jedes kleine Restaurant am Weg hineinsteckte und die Angestellten ihr jeweils ein Leckerli zusteckten. Wir saßen gerade in einem dieser “Versorgungsstellen für Frau Kuh”.
Kühe gehören zum Straßenbild einfach dazu, egal ob auf leeren Straßen oder im dicken Feierabend-Verkehr. Weder LKWs, hupende Mopeds noch Radfahrer wie wir bringen sie aus der Ruhe. Am Abend legen sie sich irgendwo an einen Bordstein und schlafen ein.
Kühe werden trotz ihres Status der Unantastbarkeit auf dem Lande häufig genutzt, sei es als Zugtiere oder Milchlieferant. Offenbar werden Unterschiede gemacht. Ob die Nutzung bzw. Nicht-Nutzung der Kühe an der Rasse, an der Region oder am Besitzer liegt, das haben wir noch nicht herausbekommen.
Das Internet hat uns allerdings interessante Fakten offenbart. Die Nachfrage an Milchprodukten in Indien wächst ständig. 2012 war Indien auf Platz 2 der Milchprodukt-Hersteller weltweit (#Rinderproduktion weltweit). Da als Nebenprodukt auch das Fleisch anfällt, belegt Indien gleichzeitig einen Spitzenplatz als Rindfleisch-Exporteur (#ArtikelWirtschaftswoche 16.10.2016). Im Lande selbst ist der Verzehr von Rindfleisch für die meisten Inder ein Tabu.
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